Hintergrund
Für die kommenden Jahre wird in Jena mit einer rückläufigen Geburtenentwicklung gerechnet. Deshalb schlägt die Stadtverwaltung für die mittelfristige Kitabedarfsplanung einen Abbau von ca. 500 bis 600 Kitaplätzen vor.
Wir möchten diesen nötigen Abbau von Kapazitäten sensibel und mit Augenmaß gestalten. Ziel muss sein, dass die Vielfalt der Kindergärten in den Stadtteilen erhalten bleibt und genügend Ausgleichspotential für sich ändernde Bedingungen vorhanden ist.
Kurz und knapp
- So viele Kindergärten wie möglich erhalten.
- Trägervielfalt und Elternwille berücksichtigen.
- Fachkräfte sichern und Perspektiven bieten.
- Kosten für die Stadt transparent und vertretbar gestalten.
Der Vorschlag im Detail
Eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung hat in Jena schon immer eine große Bedeutung. War doch Jena die erste und vielleicht auch einzige Stadt, die den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz bereits in den 90er Jahren umsetzte. Zu einer Zeit also, in der es einen solchen noch gar nicht gab. Nichtsdestotrotz mussten kurz nach der Wende enorm viele Plätze abgebaut werden, weil die Geburtenzahlen einbrachen. Viele Kindereinrichtungen wurden geschlossen und einer anderweitigen Verwendung zugeführt. Ein enormer Kraftakt für alle Beteiligten und insbesondere für die Fachkräfte. Umso erfreulicher war es dann, als die Geburtenzahlen wieder stiegen und ab ca. 2010 zunächst durch Umnutzung von Gemeinschaftsräumen zusätzliche Plätze in den Bestandseinrichtungen geschaffen werden konnten. Alle Kita-Träger versuchten in ihren Einrichtungen mehr Plätze anzubieten, um den Kindern und ihren Eltern ausreichend Plätze anbieten zu können. Die Kapazitäten reichten leider nicht aus und so wurde auf Neubau gesetzt. In der Folge entstanden in Jena etliche neue Einrichtungen. Für die Eltern war es in dieser Zeit ein Drahtseilakt, Familie und Beruf zu vereinbaren. Inzwischen haben wir seit geraumer Zeit die für Eltern komfortable Situation, aus mehreren Kindergarten-Angeboten das für die Bedürfnisse des Kindes geeignetste Angebot auswählen zu können. 600 Plätze stehen inzwischen stadtweit dauerhaft zur Verfügung.
In diesem Auf und Ab in der Kinderbetreuung haben die Fachkräfte, die Träger und auch die Eltern viel ausgehalten und dennoch nicht aufgegeben. Gerade in der Corona-Pandemie wurde vielen erst bewusst, welchen unverzichtbaren Anteil die Kindergärten für unsere Gesellschaft leisten. Dafür möchten wir herzlich Danke sagen.
In anderen Städten wie beispielsweise Leipzig ist dieser Transformationsprozess nicht so gut gelungen. Es gab sogar Klagen bezogen auf den Rechtsanspruch. Sicher hat in Jena auch das Bündnis für Familie einen großen Beitrag zum Gelingen geleistet.
Die Entwicklung der Geburtenzahlen und die daraus resultierende Prognose der Verwaltung zeigen nun allerdings, dass das zur Verfügung stehende Platzangebot deutlich größer ist als der heute prognostizierte Bedarf für die kommenden Jahre. Allerdings zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass sich dies auch wieder ändern und selbst die beste Prognose fehlerhaft sein kann.
Deshalb plädieren wir für eine Platzreduzierung mit Augenmaß. Diese sollte so gestaltet werden, dass die Vielfalt der Kindergärten in den Stadtteilen erhalten bleibt und genügend Ausgleichspotential für sich ändernde Bedingungen vorhanden ist.
Wir setzen darauf, dass in einem ersten Schritt geprüft wird, wo die Verdichtung der Plätze aus den Jahren ab 2010 zurückgebaut werden kann. Dazu soll eine Analyse der Platzerweiterungen im Bestand der letzten Jahre erfolgen, die mit der aktuellen Raum-Kind-Relation verglichen wird. In diesem Zusammenhang soll auch geprüft werden, welche Auswirkungen es hat, wenn die Raum-Kind-Relation für alle Kinder ab 3 Jahre von 2,5 qm auf 3 qm erhöht wird. Durch diese Erhöhung könnte die Qualität der Kinderbetreuung spürbar verbessert und Jenas Attraktivität für Familien erhöht werden.
Die Fachkräfte in den Kindergärten sind das Herz der Kinderbetreuung. Sie sorgen dafür, dass die Kinder sich wohlfühlen und sich gut entwickeln können. Sie sorgen aber auch dafür, dass Eltern ohne Sorgen einer beruflichen Tätigkeit nachgehen können. Diese Fachkräfte wollen wir unbedingt in unserer Stadt halten. Deshalb fordern wir die Verwaltung auf, eine Fachkräfteanalyse für dieses Feld durchzuführen. Dabei geht es uns insbesondere darum, herauszufinden, wie sich die Fachkraftsituation bezüglich Renteneintritt und Nachwuchsgewinnung gestaltet. Uns ist es besonders wichtig, dass niemand den Verlust seines Arbeitsplatzes befürchten muss. Der Fachkräftebedarf in der Kinderbetreuung und angrenzenden Arbeitsfeldern ist aktuell überall sehr hoch. Deshalb muss es uns gelingen, unsere Fachkräfte in Jena zu halten und ihnen entsprechende Angebote zu unterbreiten.
In einem zweiten Schritt sollen die Träger der Kindergärten aufgerufen werden, zu prüfen, welche Räume in den Einrichtungen freiwillig für andere Zwecke (z.B. Kultur, Seniorenarbeit, Barrierefreies Wohnen, Unterkünfte für Geflüchtete, Kreativwirtschaft, Kinder- und Jugendhilfe, Pflege) genutzt werden können, auch wenn dies mit Umbaukosten verbunden ist. Für derartige Konzepte, die durch einen Expert*innenrat (z.B. bestehend aus Vertreter*innen von Jenakultur, KIJ, des UA Kita, Stadtentwicklung) für realisierbar gehalten werden, soll den Trägern sowohl eine Betriebskostenentschädigung in Höhe von bis zu einem Jahr pro eingespartem Platz als auch für Ertüchtigungskosten für die Nutzung der Immobilie zur Verfügung gestellt werden. Dieser Prozess setzt auf Freiwilligkeit und soll bis Ende Oktober 2023 abgeschlossen sein.
Zudem wird die Verwaltung zur Vorbereitung von Schritt 3 aufgefordert, eine betriebswirtschaftliche Bewertung aller Kindergärten bis zum 31.07.23 vorzulegen, in der die aktuellen Betriebskosten mit Blick auf bereits durchgeführte Sanierungen/Baumaßnahmen und notwendige Baumaßnahmen nachprüfbar aufgeführt sind. Auch Fördermittel und deren Bindungsfrist sind dabei zu berücksichtigen. Hierzu ist dem Jugendhilfeausschuss ein entsprechendes Konzept für diese Analyse zur Beschlussfassung vorzulegen.
Des Weiteren ist dem Jugendhilfeausschuss eine Übersicht vorzulegen, aus der hervorgeht, welche Einrichtungen durch welche vertraglichen Bindungen in welcher Art und Weise gebunden sind.
Sollte der freiwillige Ansatz der Platzreduzierung nicht die erwünschte Wirkung erzielen, soll eine Prioritätenliste entwickelt werden, die die Kriterien Wirtschaftlichkeit (siehe Schritt 3) und Elternwille (bestehende Abfrage Kita-Portal, Belegungszahl, neue spezielle Onlinebefragung) berücksichtigt.
Mit diesem Vorschlag wollen wir alle Betroffenen fair beteiligen und im Prozess mitnehmen. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, Win-Win-Situationen zu erreichen und da, wo es nicht anders geht, rechtssichere und nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.